“[…] die perfekten Stimmakrobaten der Company of Music kennen keine Furcht.” (OÖN)
“Das begeisterte Publikum bekam in diesem wunderbar geschlossenen Programm
„Circus“ nicht nur ein in allen Stilen bewandertes, musikalisch eindrucksvoll sonores
Ensemble in wechselnder Besetzungsstärke zu hören, […] sondern vernahm auch Wispern, Krächzen, Raunen, Gähnen als Teile eines gut geölten, vielfach komödiantisch schnurrenden Räderwerks.” (Die Presse)
“Zu Recht bejubelt.” (Wiener Zeitung)
Festwochen der Alten Musik. Dem Göttlichen (Klang-)Raum geben „Die Chöre von San Marco“, intoniert beim diesjährigen Introitus der Innsbrucker Festwochen in der Stiftskirche Stams. Stams – Die venezianische Mehrchörigkeit nützte die Architektur des Markusdoms mit seinen zahlreichen Seitenschiffen, Emporen und Kapellen, um eine Bewusstmachung der Räumlichkeit in der Musik zu ermöglichen. Das räumliche Denken solle seine Entsprechung im räumlichen Hören finden und auch die Company of Music sowie das Marini Consort Innsbruck unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger nutzten die Räumlichkeit der Stiftskirche in Stams zur Reproduktion dieses Effekts. Die Werke von Biagio Marini, Heinrich Schütz, Claudio Monteverdi, Giovanni und Andrea Gabrieli wurden von Chören unterschiedlichster Besetzung aus dem Querhaus, der Vierung, der Kanzel, dem Raum vor dem Hochaltar und dem Chorgestühl wechselweise dargeboten. Herausforderung hierbei ist, neben den dislozierten Einsätzen die abwechselnden, teilweise ineinandergreifenden Phrasen dennoch als musikalische Einheit erscheinen zu lassen und zugleich die Raumwirkung mitzudenken. Schütz’ Psalmvertonungen gelten zu Recht als Bibelexegese der Sinne. Hier nutzte das Ensemble die Echowirkung im Raum, ebenso bei Monteverdis „Salve Regina“. Das „Exsultate Deo“ des langjährigen Hofkapellmeisters der Tiroler Landesfürsten Johann Stadlmayr schöpfte vom Cornettino bis zur Bassposaune fanfarenartig den Tonumfang voll aus, die im Tempo akkurat auszuführenden Choreinsätze zeigten perfekte Artikulation in den Anlauten. Besonders innig Giovanni Gabrielis „O Jesu mi dulcissime“, das der Chor a cappella aus dem Raum vor dem Hochaltar erklingen ließ. Ein krankheitsbedingter Besetzungswechsel bescherte dem Publikum als Programmänderung die „Sinfonia a 3“ des italienischen Komponisten Salomone Rossi und damit die Gelegenheit, die warme Klangfarbe des Zinken genauer zu erleben. Das ambitionierte Programm sah Musik höchster Präzision und Mobilität vor, was die Ausführenden zweifelsfrei erbrachten. Die schlichten Ruhepunkte, wie die Antiphone oder Rossis Sinfonia, gaben auch dem Publikum die Möglichkeit zum konzentrierten Nachspüren. (cp)
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GANYMED NATURE
Kunsthistorisches Museum: Belebte Bilder von Himmelfahrt und Orgien
Es ist die Kür des Museumsbetriebs weltweit – die Leute in die ständigen Sammlungen zu bekommen. Nicht die Touristen, diese kommen sowieso. Sondern die Einheimischen. Denn diese glauben, alles schon gesehen zu haben, wenn sie einmal in der Unterstufe vor Klimts „Kuss“ oder Arcimboldos „Sommer“ gestanden sind. Aber wissen sie, wie der Wind in Brueghels Vorfrühlingsvision „Der düstere Tag“ geklungen haben muss? Warum die Statue der Liebesgöttin, um die sich Rubens‘ orgiastisches Venusfest im KHM abspielt, ein derart unorgiastisches Gesicht zieht? Oder wie es sich anfühlt, wie auf Rubens‘ „Maria Himmelfahrt“ von Engelschören getragen und besungen zu werden? Am eigenen Leib?
Das erledigen in der jüngsten Ausgabe des „Ganymed“-Museumstheaters, die am Mittwoch Premiere hatte, die weiß gewandeten Mitglieder der „Company of Music“ – mit ihrer vereinten Muskelkraft kann jeder von uns heilig werden, über die Bänke der Gemäldegalerie schreiten, von einem Podest zum nächsten schweben, begleitet von glockenhellen Lobpreisungen, komponiert von Johanna Doderer. Martin Eberle und Martin Ptak lassen Bruegels „Twilight“ zu Jazz werden. Katharina Stemberger erklärt uns mit Worten der Schriftstellerin Eva Menasse die „Speckfaltenexplosion“ der Venusorgie, deren angedeutete Lustbarkeiten durch Gefrierung zum Gemälde noch schlüpfriger wirken, schreibt sie, als sie es in einem weiteren Verlauf geworden wären.
Mit einem Plan in der einen Hand, einem Hocker in der anderen, wandert man zwei Stunden wie in Trance durch die Gemäldegalerie. Streunt in Ecken, die man sonst links liegen lässt. Steht vor Bildern, die man lange vermisste. Oder vor Manaho Shimokawa, die sich zu einem Text von Martin Pollack vor der „Allegorie der Vergänglichkeit“ von Antonio de Pereda y Salgado so intensiv, so unheimlich übersensibel als Gärtnerin vor mörderischen Abgründen gebärdet.
Das von Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf erfundene Stationentheater ist notwendige Belebung des Museumsalltags. Auch wenn nie allen alle Stationen voll Musik, Literatur, Performance gefallen werden. Auch wenn nicht jede Ausgabe dieselbe Qualität hat, zeitlich (und akustisch) gleich gut abgestimmt ist. Im fünften Jahr hat man seine Stammgäste gefunden, von denen sich manche sogar noch an Anfänge im Josephinum erinnern können. Im KHM ist die Schiene Jahr für Jahr nahezu ausverkauft, und das bei 650 Karten pro Abend. Bei 13 Terminen.
Die Ruhe auf der Flucht aus Syrien
Nach Themen wie Frauen, wie Europa spürt man heuer der Natur in der Kunst nach. Eindrucksvoll wummert sie aus dem Laptop von Karlheinz Essl, der Rubens Gewitterlandschaft zum Donnern bringt. Lebensbedrohlich wird sie in den Erzählungen der aus Syrien geflüchteten Rania Mustafa Ali, die den selbst gedrehten Film ihrer Flucht neben Gentileschis „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ zeigt. Persönlich bleibt es – bei Vivien Löschners Text über ihren Invitro-Versuch (vor Fra Bartolomeos Maria mit Kind), angesichts Sona MacDonalds Assoziationen zur Rose, die Marie-Antoinette auf ihrem Porträt in der Hand trägt.
Wie autobiografisch diese Szenen auch sind, sie sollen so wirken. Ob es der Blick auf das Bild „Alter Mann am Fenster“ Samuel van Hoogstratens ist, das zur Zelle des gerade zu lebenslanger Haft verurteilten türkischen Autors Ahmet Altan wird. Oder der Blick auf den elektrisierenden „Flirt“, der sich zwischen Franz Schuh und Tizian angesichts „Nymphe und Schäfer“ entspinnt. Unsere rasche Angerührtheit erinnert uns daran, wo wir uns hier befinden – im kollektiven Bilderspeicher unserer (abendländischen) Gefühligkeiten, unserer Ängste und Sehnsüchte. Allein dafür – „Ganymed“ forever.
Helles, das der Seele schmeichelt Von Michaela Preiner
Sphärisches aus zwei Generationen erklang bei Wien Modern in einem außergewöhnlichen Ambiente: der Wohnparkkirche Alt-Erlaa.
Rothko Chapel
Feldman, einer der wichtigsten amerikanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, schuf mit dem Stück ein Werk, auf das eine seiner Aussagen besonders zutrifft: „Die Klänge sollten für sich stehen – wie Skulpturen im Raum – ohne auf etwas zu verweisen oder etwas anderes abzubilden als sich selbst.” Es wurde von der Company of Music, begleitet vom Ensemble MUK.wien.aktuell unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger in die Mitte der beiden Lang-Kompositionen eingebettet. Das ruhige Stück, zu dem sich Feldman von Rothkos 14 Bildern inspirieren ließ, die in der Kapelle im südlichen Texas hängen, wird mit einem leisen Paukenwirbel und einer einsetzenden, ins Ohr gehenden Geigenmelodie eröffnet. Feldman schrieb dazu, dass er diese Melodie schon mit 15 Jahren komponiert hätte – am Ende rahmt sie das Gehörte noch einmal ein. Dazwischen hält das Instrument immer wieder eine kleine Zwiesprache mit einem Sopran. Der vielstimmig gesetzte Chor folgt keinem Text, sondern wird mehr leise gesummt als mit offenem Mund gesungen. Dadurch ergibt sich streckenweise der Eindruck einer kollektiven Trauer oder auch einer leisen Klage, die sich erst zum Schluss, durch die Geigenmelodie wieder verflüchtigt.
New zealandic skies
Gut ausgesucht dazu war Klaus Langs reines Vokalwerk „new zealandic skies“, mit dem das Konzert schon im Vorraum eröffnet wurde. Ein tiefer Summton verdichtete sich zusehends und durch die Verteilung der Singenden unter dem auf Einlass wartenden Publikum, verbreitete sich der Klang völlig richtungslos. Nachdem alle ihre Plätze eingenommen hatten, formierte sich auch der permanent weiter summende Chor und performte einen leisen, harmonisch gesetzten Choral, der zart und verhalten erklang. Der Wohlklang, der den Raum durchflutete, veranlasste viele Menschen, die Augen zu schließen und sich ganz der Musik zu widmen. Dadurch entstand eine sehr innige Atmosphäre, die selten in Konzertsälen so zu erleben ist. Wie die Sängerinnen und Sänger gekommen waren, verließen sie schließlich auch wieder den Raum. Einzeln und summend. Den Nachklang des letzten zu vernehmenden Tones kann man ohne Übertreibung mit magisch bezeichnen. Ein Stück wie dieses wäre ohne den Vorreiter des Wohlklanges in der Musik des 20. Jahrhunderts, Arvo Pärt, vielleicht nicht zustande gekommen. Es ist ein großer Fortschritt, dass heute Werke wie „new zealandic skies“ nicht gegen verbissene Tonalitätsverweigerer verteidigt werden muss, sondern gleichberechtig als zeitgenössische Komposition daneben stehen kann.
la vaca translucida
Das letzte Stück des Konzertes, „la vaca translucida“, ebenfalls von Lang, ergab auch eine wunderbare Verschränkung mit Feldmans zuvor gespieltem Werk. Nicht nur, dass sich Lang dafür auch von Bildern von Zurbaran und Zobel beeinflussen ließ. Es war die Ruhe, die das Werk ausstrahlt, aber auch einige kompositorische Äquivalente, die Instrumentierung und der Eingangspart, der sich am Schluss noch einmal zeigt, die diese Verbindung so plausibel erscheinen ließ. Geschrieben für Chor, Flöte, Schlagzeug, Klavier und Viola war es mit 42 Minuten auch das längste des Programmes. Auch hier eröffnete ein leiser Percussionwirbel – in diesem Fall allerdings jener eines Gonges, auf den der Chor bald eine – für dieses Werk so typische – Klangformation aufbringt. Langsam, breit und getragen summt er ständig sich verändernde Vokale, die ineinander überfließen. Genauso fluid gestalten sich auch die Tonskalen, die durch stufenlose, gesummte Glissandi erreicht werden. Durch den mehrstimmigen Satz ergeben sich dadurch zeitweise dissonante Unschärfen, die sich jedoch in ohrenschmeichelnden, harmonischen Akkorden auflösen, die zum Teil länger im Raum stehen bleiben. Dieses Schärfe-Unschärfe-Verhältnis ist das typischste Charakteristikum dieses Werkes, das zugleich hoch emotional unter die Haut geht. Unmerklich übernimmt eine Instrumentalpartie mit Klavier, Viola und Glocken die Führung und verweist den Chor in eine im Pianissimo durchgeführte Begleitung. Überraschend gestaltet sich ein dritter Teil, den das Klavier führend übernimmt. So, als wolle es die zuvor verwischten Strukturen klären, baut es ein Grundgerüst von Akkorden auf, klar und deutlich, langsam voneinander abgesetzt und bildet dadurch einen starken Gegensatz zu den menschlichen Stimmen. Das Instrument ist nicht, wie die menschliche Stimme, in der Lage, stufenlose Skalen wiederzugeben, was in dieser Gegenüberstellung unglaublich stark auffällt. Ein langer Chorteil, der wieder mit der Schärfe-Unschärfe-Relation agiert und ein leiser Paukenwirbel, der an den Beginn erinnert, beendet das sphärisch schöne Stück. Die lange, anschließende, hoch konzentrierte Pause, mit der Johannes Hiemetsberger den Applaus hinauszögerte, betonte noch zusätzlich die Stille, mit der der vollbesetzte Raum aufgeladen war.
Das Konzert mit dem Titel „Rothko Chapel“, in dem sich die Zuhörenden auf lange Strecken völlig kontemplativ versenken konnten, war das absolute Gegenteil zu jenem von „Two Whiskas“ – nachzulesen hier. Ein wunderbarer Beweis, dass es DIE zeitgenössische Musik nicht gibt, sondern nur Kompositionen, die, miteinander verglichen, auch ein Hörspektrum von 360 Grad aufweisen können, was ihre unterschiedlichen Ästhetiken betrifft. Der Suchtfaktor dieses Konzertes wird lange nachwirken.